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Portraits und mehr

Warum Smartphones nie hochwertige Spiegelreflex-Kameras ersetzen werden.

Am 2.Oktober hat Hans-Heinrich Pardey auf der Website der Frankfurt Allgemeinen Zeitung einen Artikel zur  Photokina 2018 verfasst, dem er den Titel „Die Wende“ gab.

Obwohl ich als „öffentlicher Nutzer“ nur die ersten Zeilen quasi als Teaser lesen durfte, reichte mir bereits ein Satz auf der ersten Halbseite, um zu dem Urteil zu gelangen: Hier gibt es Bedarf einer Kommentierung.

Herr Pardey schreibt, dass bereits ein Smartphone von einem Discounter von der Mehrheit als eine ausreichende Abbildungsleistung wahrgenommen wird. Ausreichend für was?  Um im Restaurant das Etikett von einer Weinflasche zu fotografieren? Bei guten Lichtverhältnissen, vielleicht. Aber für ein ansprechendes Foto?

Dieser Satz hat mich unglaublich wütend gemacht. Sollte die Mehrheit das wirklich glauben?     

Glauben die Menschen wirklich, wenn sie das Gerät mit dem angebissenen Apfel in der Hand halten, sie hätten hier wirklich eine gute Kamera in der Hand?

Dabei wenn Sie mir das Bild erlauben: Als optisches Instrument ist es wirklich nur ein gammeliger, angebissener Apfel im Vergleich zum dem 3 Gänge Menü eines Sternekochs, dass sie mit einer modernen Spiegelreflex erwerben können.
Das liegt daran, dass Abbildungs-Qualität von den Gesetzen der Physik bzw. der Optik bestimmt wird und nicht von den ambitionierten Versprechungen von Marketing-Leuten. Denn wie in anderen Bereichen auch, kommt es in der Optik nun einmal doch auf die Größe an.

Das heißt, solange die optischen Systeme von Smartphones so klein wie eine Erbse bleiben, werde ich als Spiegelreflex-Liebhaber immer mit den besseren Bildern nach Hause gehen. Denn meine Spiegelreflex-Kamera hat die bessere Auflösung, die größere Schärfe, die besseren Kontraste, leidet weniger unter Beugungseinflüssen der zu kleinen Öffnung des Objektives, hat die größere Dynamik-Ausbeute (Hell/Dunkel Kontraste), das geringere Bildrauschen (bei wenig Licht), die geringere Tiefenschärfe (auch wenn die Hersteller von SmartPhones versuchen, das mit Portrait-Algorithmen zu kopieren), die Optik zeigt weniger Abbildungsfehler...und..und...und...      

Aber selbst wenn ich für den Moment die technischen Aspekte außer Acht lasse, hat das Smartphone auch aus anderen Gründen keine Chance, gegen eine solide Spiegelreflex-Kamera zu bestehen.

Eine kurze Geschichte von einer Gruppenreise in Kuba. Mitgenommen hatte ich eine fast 10 Kilo schwere Fototasche, die mit einer Spiegelreflexkamera mit großem Kleinbild-Sensor und dazugehörigen Objektiven gefüllt war. Und trotz des Gewichtes wusste ich bereits nach 2 Stunden Aufenthalt in Havanna, dass ich alles richtig gemacht hatte.

Beim Gang durch die Stadt begegnete ich zwei älteren Männern, die mit Orden behangen auf Touristen warteten, um sich gegen ein paar Euro in landestypischer Währung sich als Model zur Verfügung zu stellen. Obwohl mein Verstand sich dagegen gesträubt hat, in einer mit Motiven überfüllten Stadt, Geld für ein Foto zu bezahlen, hat mein Bauch gesagt, ich müsste das machen.
Also verhandelte ich mit den beiden Männern einen Preis und schaute sie dann erwartungsvoll an. Es dauerte einen Moment bis die Männer merkten, dass ich für das Geld mehr erwartete, als dass sie nur rumstehen. Sie entschieden sich dann auf der Bank zu posieren. Ich nahm meine schwere Vollformat-Kamera und ging vor den Männern auf die Knie, um sie größer wirken zu lassen und ihnen trotz der etwas albernen Aufmachung Würde zu geben. In diesem Moment machte es bei den Männern „klick“ und sie merkten, dass sie es mit mir nicht mit einem oberflächlichen Smartphone-Knipser zu tun hatten, der nur auf der Suche nach einem schnellen Schnappschuss war, sondern ein Mann, der sie respektierte, ein gutes Foto machen wollte und der Ihnen die Möglichkeit gibt, sich auf ihrer Bühne zu inszenieren. Sogleich änderten die Männer schlagartig ihr Verhalten und aus der Mission „Touristen abzocken“ wurde „wir machen ein Photo“. Die Männer sprachen sich kurz ab und beschlossen dann beide mir in strammer Haltung zu salutieren. Dabei war ihr Gesichtsausdruck sehr spannend, denn Ihre Gesichter zeigten eine skurrile Mischung aus Stolz eines pensionierten Soldaten und einem mühselig unterdrückten Feixen, weil sie einfach Spaß an der Situation hatten. Ich machte ein paar Bilder, die ich dann den Männern zeigte und wir hatten alle drei ein breites Grinsen im Gesicht, denn wir wussten wir hatten gemeinsam ein Bild gemacht, das es so schnell nicht wieder geben würde.

Als ich das beste Bild dieser Serie ein halbes Jahr später auf einer kleinen Gemeinschaftsausstellung ausgestellte, hatten fast alle Betrachter des Bildes ein amüsiertes Grinsen im Gesicht.

Und so wie bei diesen beiden Männern ist es grundsätzlich einfacher von fremden Menschen spannende Fotos zu machen, wenn man ihnen das Gefühl gibt, dass man ihnen mit dem Aufwand eine hochwertige Kamera zu schleppen auch Wertschätzung entgegen bringt und ihnen die Gelegenheit gibt, Teil eines guten Bildes zu werden, das die Zeit überdauert.  

Aber möchte ich negieren, dass es Situationen gibt, wo Smartphones „genauso“ gute Bilder machen, wie teure Spiegelreflex-Kameras?
Nun natürlich nicht. Macht man an einem bewölkten Tag in einer Großstadt einen Schnappschuss vom Geschehen, dann ist das Smartphone sogar vermeintlich im Vorteil. Denn der mikroskopisch kleine Sensor des Smartphones macht fast alles auf dem Bild leidlich scharf. Während eine Spiegelreflex-Kamera schon viel Licht braucht, damit man die Blende soweit schließen kann, bis man eine ähnliches schlechtes Bild mit durchgehender Tiefenschärfe erreicht. Auf das „ähnlich schlecht“ gehe ich gleich noch einmal ein.

Bei der Betrachtung des Bildes auf dem kleinem Bildschirm des Smartphones, wird der Smartphone-Besitzer jetzt stolz sein, mir Paroli geboten zu haben. Trotzdem werde ich vermutlich Zuhause mehr Spaß an meinem Bild haben. Denn wenn ich mir das hochaufgelöste Bild auf meinem 24 Zoll Bildschirm Zuhause anschaue, werde ich mir nicht nur den Moment des Fotografierens und die Stimmung vor Ort zurück ins Gedächtnis rufen. Nein, ich habe auch die große Chance, Dinge zu entdecken, die mir vor Ort bei der flüchtigen Betrachtung entgangen sind. Ich werde vielleicht ein kleines Mädchen sehen, das seiner Mutter eine liebenswerte Grimasse der Verärgerung entgegen wirft, weil Mama vielleicht etwas verboten hat. Oder vielleicht  wird mir ein junges Pärchen an der roten Ampel auffallen, das die Wartezeit mit einem Kuss überbrückt.

Aber der Hauptgrund, hochwertige Kameras zu verwenden, sind ungünstige Bedingungen.

Da wäre die Fahrt auf einem Boot im Mittelmeer, wo die gesamte Reisegruppe versucht hat, die fliegenden Fische vor dem Boot mit ihren Spielzeug-Kameras einzufangen. Abends beim Essen konnte keiner auch nur ein brauchbares Bild vorzeigen. Und hier war es ausgerechnet der Nerd mit der Spiegelreflex-Kamera, der Bilder zeigen konnte.
Oder eine Tour in Lissabon am Turm von Belém, der am 30. Dezember in gleißender Mittagssonne seine beeindruckende Präsenz im strahlenden Weiß zeigte. Hier gibt die mich begleitende Reisegruppe nach wenigen Sekunden auf, das Bauwerk zu fotografieren, denn mit den starken Hell/Dunkel Unterschieden zur Mittagszeit sind die Smartphones und Kompaktkameras meiner Mitreisenden hoffnungslos überfordert.
Als letztes Beispiel gehe ich nochmal nach Kuba zurück, wo wir als Reisegruppe bei einer nächtlichen Wanderung durch eine Kleinstadt Jungen begegnen, die im Schein einer Laterne Fußball spielen. Auch hier war klar, dass ich der Einzige in der Gruppe sein werde, der mit diesem Bild nach Hause geht, auch wenn andere von meinem Enthusiasmus angesteckt Ihr Glück versuchten.

Und wenn es um natürliche Portraits geht, denke ich an ein Gesichtsportrait einer jungen Russin, die ich im Sommer in unserem Wintergarten fotografiert habe. Bei der Bearbeitung vor zwei Wochen zoome ich am Bildschirm auf ihr Auge. Und als ihr rechtes Auge fast den ganzen Bildschirm füllt, sehe ich im Glanz ihres Augapfels, das Sie ein Buch auf dem Schoß hat und dahinter sehe ich mich im Roten Hemd mit der Kamera in der Hand. Und dabei habe ich das Bild mit meiner alten Kamera gemacht, die nur 24 Millionen Bildpunkte auflöst. Was wäre gewesen, wenn ich das Bild mit meiner neuen Kamera gemacht hätte? Hätte ich dann in dem Buch lesen können? Nein, vermutlich nicht ganz. Aber vielleicht in zwei Jahren mit der nächsten Generation?  

Nun werden trotzdem die meisten Menschen weiterhin mit Ihren Smartphones jeden Tag tausende  Bilder machen, in der Hoffnung auch per Zufall mal ein gutes Bild zu machen, das sie dann sofort ihrer Community posten können. Das ist auch OK.   

Aber ich setze darauf, dass wir 1-2 % ambitionierte Fotografen behalten werden, die wissen, das man mit einer guten Kamera die besseren Bilder machen kann, die einem das ganze Leben wertvolle Erinnerung bescheren. Und dass Kamerahersteller Geld damit verdienen können, indem sie uns ambitionierten Fotografen Traumwerkzeuge in die Hand geben, um Bilder zu machen, die uns und die Menschen um uns herum bewegen.

Zugegeben, die Kameras von Smartphones sind die letzten 10 Jahre besser geworden. Und dass viele Menschen zufrieden sind mit dem, was ihnen eine Knipskiste liefert, das war schon früher so, als die Mehrheit noch analog fotografierte. Aber auch Spiegelreflex-Kameras sind besser geworden und vergrößern ihren Abstand eher, als das er kleiner wird. Das ist aber vor allem der Entwicklung der Objektive geschuldet. Mein neuestes 50mm Objektiv hat 15 Linsen in 9 Gruppen und zeigt fast keine Abbildungsfehler mehr. Das werden Smartphone-Optiken auch in 20 Jahren nicht erreichen und auch die besten Software-Ingenieure der Smartphone-Hersteller werden das nicht mit Rechen-leistung kompensieren können.

Deshalb: bitte glauben sie keinem Schreiberling, der mit einem kleinen Boot über einen Baggersee rudert und Ihnen mit dieser Erfahrung weismachen möchte, dass es sich ja wohl kaum lohnen kann, die Weltmeere über und unter Wasser zu erkunden, weil es ja auch nur Wasser ist.   

Dieses Jahr auf der Photokina 2018 haben die Hersteller gezeigt, wie die meisten ambitionierten Fotografen in 10 Jahren fotografieren werden: Kameras mit großen Sensor, die keinen hochklappbaren Spiegel mehr haben. Das heißt, die Hersteller möchten natürlich, dass Sie diese Kameras schon heute kaufen, wie vor zwanzig Jahren die ersten Digitalkameras. Aber meine Empfehlung ist, noch zwei-drei Kameragenerationen zu warten, bis sie wirklich besser sind. Und dabei schaue ich mit Freude auf mein zuletzt gekauftes Werkzeug von 2018: Eine Spiegelreflex-Kamera mit 23,9*35,9 mm großer Sensorfläche und 45,7 Millionen Bildpunkten Auflösung, die mir beim letzten Shooting im Sonnenuntergang bei über 300 Auslösungen zu 99% perfekt fokussierte und richtig belichtete Bilder geschenkt hat. Und die Größe des optischen Systems, in Kombination mit einem guten Objektiv erlaubt mir dafür zu sorgen, dass nur mein Model wirklich scharf abgebildet wird und der Rest des Bildes in angemessener Unschärfe versinkt.

6.Oktober 2018 – Dirk Bauer – www.dirkb-foto.de

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